Die sowjetischen Speziallager Nr. 8 und Nr. 10 in Torgau (1945–1948)
Im August 1945 richtete die sowjetische Geheimpolizei NKWD im Fort Zinna das Speziallager Nr. 8 ein. Grundlage der Einrichtung war der von NKWD-Chef Berija erlassene Befehl Nr. 00315 vom 18. April 1945, der diejenigen „feindlichen Elemente“ definierte, die bei der Säuberung des Hinterlandes der kämpfenden Truppen in „Internierungslagern ... in Gewahrsam“ zu halten waren: Angehörige der deutschen Geheimdienste, „Spione“ und „Diversanten“, Angehörige in der Illegalität arbeitender Gruppierungen, „aktive Mitglieder der nationalsozialistischen Partei“, „Führer faschistischer Jugendorganisationen“, „Leiter administrativer Organe“ sowie „Zeitungs- und Zeitschriftenredakteure und Autoren antisowjetischer Veröffentlichungen“.
Die Mehrzahl der im Speziallager Nr. 8 ohne Urteil gefangen Gehaltenen gehörte der NSDAP oder anderen NS-Organisationen an, außerdem befanden sich mehrere hundert Kriegsgefangene unter den Internierten. Als Internierungsgrund reichte den verhaftenden „Operativgruppen“ des NKWD und anderer sowjetischer Sicherheitsorgane die bloße Mitgliedschaft in einer Organisation oder eine Denunziation aus; konkrete Tatvorwürfe waren selten. Die Hauptaufgabe der Speziallager bestand laut der „Vorläufigen Lagerordnung“ vom 27. Juli 1945 in der „vollständigen Isolierung“ der Internierten. Das bedeutete: keine Nachrichten an die Angehörigen, auch nicht im Falle des Todes, strenge Sicherheitsmaßnahmen, so gut wie keine Arbeitskommandos außerhalb der Lager. Die Lebensmittelrationen und die medizinische Versorgung waren völlig unzureichend, so dass fast alle Todesfälle auf physische Auszehrung oder Tuberkulose zurückzuführen waren.
Bis Ende 1945 füllte sich das Fort Zinna, für 1 000 Gefangene konzipiert, mit 7 500 Gefangenen, die im Zellenbau, eilig errichteten Baracken und Kasematten der Festung notdürftig untergebracht wurden. Im März 1946 wurde das Lager in die benachbarte Seydlitz-Kaserne verlegt. Im Januar 1947 wurde das Speziallager Nr. 8 durch Verlegung der Gefangenen in die Speziallager Nr. 2 Buchenwald und Nr. 1 Mühlberg/Elbe aufgelöst.
Das Fort Zinna wurde von Mai 1946 bis Oktober 1948 unter der Bezeichnung Speziallager Nr. 10 weiter betrieben. Seine Besonderheit im System der Speziallager in der sowjetischen Besatzungszone bestand darin, dass in ihm seit Herbst 1946 vor allem sowjetische Staatsangehörige, die von sowjetischen Militärtribunalen (SMT) verurteilt worden und für die Deportation in die Zwangsarbeitslagerkomplexe der UdSSR vorgesehen waren, vor ihrem Abtransport gefangen gehalten wurden. Insgesamt vollzog sich die Hälfte aller Deportationen aus den der Abteilung Speziallager in der sowjetischen Besatzungszone unterstehenden Lagern und Gefängnissen in die UdSSR über Torgau. Die Militärgerichte verurteilten in Verfahren, die keinen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügten, Sowjetbürger wegen Kollaboration mit den Deutschen („Landesverrat“), „unerlaubter Entfernung“, Desertion und kriminellen Delikten zu fünf bis 25 Jahren „Besserungs-Arbeitslager“.
Unter den verurteilten deutschen Staatsbürgern, die im Fort Zinna gefangen gehalten wurden, befanden sich weniger Kriegsverbrecher oder Personen, die den Nationalsozialismus aktiv gestützt hatten, als Menschen, die gegen die sowjetische Nachkriegspolitik Widerstand leisteten oder einfach verdächtig erschienen. Nach sowjetischen Angaben sind 800 bis 850 Menschen zwischen 1945 und 1948 in den Torgauer Lagern umgekommen.