Gedenkstätte Bautzen bekommt Original-Fahndungsplakat von 1967 geschenkt
20.01.10
Das neue Jahr begann für die Gedenkstätte Bautzen mit einer echten Überraschung. In einem knappen Brief bekamen die Mitarbeiter eine historische Rarität angeboten. Dieter Lehmann aus einer Kleinstadt bei Chemnitz hatte über 40 Jahre ein Fahndungsplakat aufgehoben, mit dem Ende November 1967 der aus Bautzen II ausgebrochene Fluchthelfer Dieter Hötger gesucht wurde.
Eines der über 28 000 Fahndungsplakate hing auch im Reichsbahnausbesserungswerk Karl-Marx-Stadt, in dem Lehmann seinerzeit arbeitete. Während einer Nachtschicht nahm er es heimlich ab: „Wir ahnten damals schon, um was es ging. Deshalb habe ich dieses Dokument aufgehoben.“
Über Jahrzehnte lag das Plakat zusammengefaltet zwischen zwei Buchdeckeln in Lehmanns Bücherschrank. Eine Fernsehdokumentation über spektakuläre Mauerfluchten, die im Herbst 2009 gesendet und in der auch der Fall Hötger vorgestellt wurde, war für Dieter Lehmann schließlich der Auslöser, sein Plakat nach Bautzen zu schicken. Er stellt das wertvolle Zeitdokument der Gedenkstätte als Schenkung zur Verfügung: „Ich werde das Fahndungsplakat der Gedenkstätte Bautzen schenken. Daraus werde ich doch nicht noch Kapital schlagen. Dafür ist mir diese ganze Angelegenheit viel zu ernst“.
Dieter Hötgers Flucht aus Bautzen II löste 1967 eine der größten Fahndungsaktionen der DDR aus. Rund 3 200 Polizisten, zahlreiche Angehörige der Staatssicherheit und der Kampfgruppen suchten tagelang den „gefährlichen Rechtsbrecher“. Aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Deshalb wurde die Bevölkerung in zehn Bezirken der DDR um Mithilfe gebeten – mittels Betriebsfunk und Lautsprecherwagen. Hötger hatte 1962 einen Tunnel von West- nach Ost-Berlin gegraben, um seine Ehefrau aus der DDR zu holen und war nach Verrat während der Fluchtaktion niedergeschossen und von der Stasi verhaftet worden. Er kam nach der Verurteilung in strenge Einzelhaft im Stasi-Gefängnis Bautzen II. Trotzdem gelang ihm 1967 die Flucht aus Bautzen II, auch wenn er nach seiner neuntägigen Flucht schließlich von zwei Volkspolizisten nur wenige Kilometer von Bautzen entfernt gestellt wurde. Hötger erhielt eine weitere, achtjährige Freiheitsstrafe und kam wieder nach Bautzen II. Im September 1972 kaufte ihn die Bundesrepublik Deutschland schließlich frei.
Die Schenkung ist ein erneuter Beweis, dass immer noch – gerade auch bei Privatpersonen – überraschende Funde wie Dokumente, historische Fotografien oder Objekte zu finden sind. Häufig verstecken sich auch hinter scheinbar Unbedeutendem spannende Geschichten, die bewahrt und erzählt werden müssen. Gern nimmt die Gedenkstätte entsprechende Hinweise entgegen. info.bautzen@stsg.smwk.sachsen.de oder Telefon: 03591-40474.