Neues Webportal zu Opfern von Gewalt und Krieg auf Dresdner Friedhöfen
25.11.24
Ein neues Webportal widmet sich den Opfern von Gewalt und Krieg auf Dresdner Friedhöfen. Das von der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden / Stiftung Sächsische Gedenkstätten erarbeitete Angebot ist in dieser Form einmalig: Wer das Webportal aufruft, kann in einer Datenbank nach einzelnen Personen suchen, ausgewählte Biografien lesen und Informationen zu einzelnen Friedhöfen, Grabfeldern und Gedenkzeichen aufrufen. Als erster Friedhof wird der Neue Katholische Friedhof präsentiert. Ihm sollen weitere Dresdner Friedhöfe folgen. „Als nächstes widmen wir uns dem evangelischen Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz“, sagt Dr. Birgit Sack, Leiterin der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden.
Das Portal mit der Web-Adresse dresdner-friedhoefe.de beschäftigt sich mit auf Dresdner Friedhöfen bestatteten Menschen, die Opfer von staatlicher Gewalt und Kriegen geworden sind. Berücksichtigt wurden Menschen, deren Gräber durch das „Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ (Gräbergesetz) ein ewiges Ruherecht haben oder die Opfer im Sinne dieses Gräbergesetzes sind, auch wenn ihr Grab keinen entsprechenden Schutzstatus besitzt. Knappe Texte widmen sich den einzelnen Opfergruppen – etwa Soldaten, Justiz- und KZ-Häftlingen oder Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Für die Grabfelder innerhalb der Friedhöfe werden Bestattungspraktiken, Überführungen von Bestatteten und Einebnungen von Gräbern thematisiert sowie die jeweiligen Gedenk- und Begräbnisanlagen vorgestellt. Die größtenteils bis heute existierenden Gedenkzeichen geben Aufschluss darüber, welche Opfergruppen zu welchen Zeiten geehrt wurden – und welche nicht.
Die auf dem Webportal vorgestellten Biografien stehen exemplarisch für einzelne Opfergruppen: Der Tscheche Václav Kropáček wurde wegen seiner Mitwirkung an einer militärischen Widerstandsorganisation vom Volksgerichtshof in Dresden zum Tode verurteilt. Fünf Tage nach der Hinrichtung des 45-Jährigen am 13. Dezember 1943 wurde er auf dem Neuen Katholischen Friedhof bestattet. Monika Lauth erkrankte als Hausangestellte psychisch, 1941 wurde sie 27-Jährig im Zuge der nationalsozialistischen Krankenmorde in der „Heilanstalt“ Hadamar ermordet. Ihre Angehörigen ließen die ihnen zugesandte Asche im Familiengrab auf dem Neuen Katholischen Friedhof bestatten. Magdalene Wodarz lebte als Nazarethschwester in der Schloßstraße. Dort starb die 42-Jährige bei den Bombenangriffen am 13./14. Februar 1945 und wurde in der Begräbnisanlage ihres Ordens auf dem Neuen Katholischen Friedhof beigesetzt.
Dies sind drei Geschichten von Menschen, die unter ganz unterschiedlichen Umständen Opfer staatlicher Gewalt bzw. des Krieges geworden sind. Was sie verbindet: Ihre Gräber liegen oder lagen auf dem Neuen Katholischen Friedhof in der Bremer Straße in Dresden. Allerdings ist von den genannten Personen nur die Grabstelle von Magdalene Wodarz noch auffindbar, ihr Name ist auf einer Friedhofsmauer vermerkt. Das Grab von Monika Lauth wurde dagegen eingeebnet, das von Václav Kropáček aufgelöst, da seine Überreste 1966 in die Tschechoslowakei überführt wurden.
Ein Angebot für Angehörige und Interessierte
Die Website dresdner-friedhoefe.de erlaubt es Angehörigen von Bestatteten, nähere Informationen zur Grabstelle zu finden. „Das ist für viele ganz wichtig, um ihren Frieden zu finden“, sagt Dr. Birgit Sack, Leiterin der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden und Verantwortliche des neuen Webportals. „Gerade wenn ihre Angehörigen zwangsweise in Dresden waren und hier getötet wurden.“ Dies betraf etwa nichtdeutsche Hingerichtete, KZ-Häftlinge oder Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Gleichzeitig finden alle Interessierten Informationen zu den einzelnen Opfergruppen.
Auf dem Neuen Katholischen Friedhof bilden die Justizhäftlinge, ganz überwiegend am Münchner Platz hingerichtete Frauen und Männer, die größte Opfergruppe – gefolgt von zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und Vertriebenen. Hinzu kommen Anstaltspatientinnen, Zivilistinnen und Zivilisten – also zivile Opfer alliierter Luftangriffe –, Soldaten beider Weltkriege, Umsiedlerinnen und Umsiedlern und KZ-Häftlinge. „Dieses Portal lädt dazu ein, sich differenziert mit unterschiedlichen Gruppen zu beschäftigen, die unter das Gräbergesetz fallen“, sagt Dr. Birgit Sack. Es vermeidet bewusst die üblicherweise verwendeten verkürzenden und nivellierenden Sammelbegriffe „Kriegsgräber“ und „Kriegsgräberstätten“. Das ist der Gedenkstättenleiterin wichtig: „Eine Tschechin beispielsweise, die wegen ihres Widerstand gegen die deutsche Besatzung zum Tode verurteilt wurde, ist ein Opfer staatlicher, nationalsozialistischer Gewalt – auch wenn das Justizverbrechen an ihr während des Zweiten Weltkriegs verübt wurde.“
Das neue Webportal ist mit großem Interesse von Historiker:innen, Friedhofsverantwortlichen, den Kirchen und Vertretern des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge aufgenommen worden. Die Stadtverwaltung Dresden hob die erinnerungspolitische Bedeutung des neuen Angebots hervor. „Das neue Webportal zu den Opfern von Gewalt und Krieg der NS-Diktatur auf Dresdner Friedhöfen leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in der Landeshauptstadt Dresden“, sagt Annekatrin Klepsch, Beigeordnete für Kultur, Wissenschaft und Tourismus und Mitglied im Beirat Erinnerungskulturen. „Es ermöglicht uns, an die Schicksale derjenigen, die gelitten haben, zu erinnern und im kollektiven Gedächtnis der Stadt zu bewahren. Damit wird die Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt in der Vergangenheit unserer Stadt gefördert, die für eine pluralistische Erinnerungskultur unerlässlich ist.“
Das Webportal:
www.dresdner-friedhoefe.de
Herausgeber:
Gedenkstätte Münchner Platz Dresden | Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Website-Gestaltung und -Programmierung:
schech.net
Ansprechperson:
Dr. Birgit Sack, Leiterin der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden
Kontakt
Dr. Birgit Sack (Gedenkstättenleiterin)
Tel. 0351 4633 6466
birgit.sack@stsg.de