Gedenkstätte Münchner Platz ermöglicht am Tag des offenen Denkmals Perspektivwechsel
19.09.25

Am Tag des offenen Denkmals am 14. September 2025 haben rund 350 Interessierte die Gedenkstätte Münchner Platz Dresden besucht. Anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes hatten die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, aus der Perspektive der Gefangenen auf die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs zu blicken.
In zwei rund sechzigminütigen Rundgängen ließ Dr. Gerald Hacke die Teilnehmenden mit seinen multiperspektivischen Ausführungen in verschiedene Schicksale eintauchen. Dabei machte die Führung nicht nur biographisch, sondern auch räumlich an verschiedenen Stationen Halt. Mithilfe von überlieferten Quellen wie in der Haft verfassten Briefen sowie später verfassten Erinnerungsberichten ließ Gerald Hacke die damaligen Inhaftierten für sich sprechen:
„Von außen sah es aus wie eine uneinnehmbare Burg” – so der erste Eindruck des Justizkomplexes am Münchner Platz durch die Inhaftierte Anna Štruncová im Sommer 1944. Diese gelangte bei der Ankunft durch den nordwestlichen Eingang in die Haftanstalt, welcher auch den ersten Stopp des Rundgangs darstellte. Weiter ging die Tour in die sogenannte Spinne im Inneren der früheren Haftanstalt: Ähnlich der Spinne im Mittelpunkt ihres Netzes konnte von dort ein Aufseher drei Flügel der Gefangenenanstalt überblicken – heute befindet sich dort ein Treppenhaus. An seine Ankunft im Gefängnis erinnerte sich der frühere Gefangene Jan Svoboda:
„Im ersten Moment konnte ich mich überhaupt nicht orientieren. Ich habe nur Treppen gesehen, viele Treppenhäuser, irgendwelche gangartige Balkons in mehreren Stockwerken übereinander, Auffangnetze aus Drahtunter ihnen, auf jedem der gangartigen Balkons unzählige Menge von Türen. [...] Den ganzen Tag herrschte hier ein reger Betrieb wie in einem Bienenstock, aber in einem traurigen und beängstigenden Bienenstock.”
Die Besucherinnen und Besucher hielten ihren Atem an, als Gerald Hacke über die Bomben sprach, die am 15. Februar 1945 die Haftanstalt am Münchner Platz trafen. Josef Bukovský, ein zum Tode verurteilter Tscheche, nutzte das Chaos dieser Nacht zur Flucht. Später erzählte er sehr anschaulich, wie er einem älteren Aufseher entkam:
„Links!“ Es war wahrscheinlich meine letzte Gelegenheit; ich sprang nach rechts – direkt zu der Zunge in der Mauer. Im Nu schwang ich mich oben und rollte unten; gleich befand ich mich jenseits der Mauer. Der bejahrte dicke Furzer würde dasselbe zweifellos nicht bewältigen, sagte ich mir, aber trotzdem zögerte ich nicht lange und spornstreichs überwand ich einen Brettzaun und rannte zum Fußballplatz. Von dort aus ging ich zu einer Reihe Familienhäuser los und über ihre Gärten in die Felder außerhalb der Stadt.”
Den Perspektivwechsel nahmen die Teilnehmenden der Führungen mit Interesse und Neugier auf. Abgeschlossen wurde der Rundgang mit Worten des Inhaftierten Miroslav Beneš, der sich zu Fuß in seine tschechische Heimat aufmachte:
„Es ist 15.45 Uhr und wir sind frei. Der Blick auf die Sonne genügt uns, um die Richtung unseres bevorstehenden Marsches zu bestimmen, in Richtung Süden – nach Böhmen.”
Kontakt
Ella Peter (Freiwilliges Soziales Jahr)
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