25 000 tote Kriegsgefangene bekommen einen Namen
Sächsische Zeitung vom 05.07.2011
Nicole Laube
Die offizielle Bestätigung ist da. Für 300 000 Euro kann die Gedenkstätte Zeithain den Opfern des Lagers gedenken und ihnen ein Grabzeichen setzen.
Das Warten hat ein Ende. Endlich hat die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales die Zusage erhalten, die rund 25000 bekannten Namen der in Zeithain verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen auf den Friedhöfen zu verzeichnen. Dies werde bis zum Jahr 2015 passieren. Ziel ist es, damit das Andenken an die verstorbenen Kriegsgefangenen in Zeithain zu bewahren und für Angehörige und Nachkommen der Soldaten auch einen Ort der Trauer zu schaffen.
Mit dieser Entscheidung nehme der Freistaat Sachsen eine Vorreiterrolle ein, betonte Eberhard Paul, der Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain. Gleichzeitig kritisierte er, dass die Bundesregierung sich außerhalb der Pflegepauschalen für die Kriegsgräberpflege finanziell nicht an der Aufstellung der Namen beteiligt habe.
Dies zeige laut Paul nur einmal mehr, „dass die sowjetischen Kriegsgefangenen bestenfalls als Opfer zweiter Klasse betrachtet werden.“
Tatsächlich hat die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain lange um die finanziellen Mittel für die Namenssetzung gekämpft. So wurden anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain durch die Rote Armee im vergangenen Jahr bereits Gestaltungsentwürfe für die Grabzeichen der rund 25000 bekannten Namen sowjetischer Kriegsgefangener präsentiert. Damit verbunden war die von der Vorsitzenden des Stiftungsrates der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Staatsministerin von Schorlemer, verkündete Absichtserklärung, dieses Vorhaben mittelfristig zu realisieren.
Finanzielle Zusagen gab es damals jedoch nicht. „Und dies, obgleich die Dimension des Massensterbens in Zeithain wie in den anderen sogenannten Russenlagern nur mit dem Massenmord in den Konzentrationslagern vergleichbar ist“, ärgert sich Paul. Er erklärt: „Bis 1945 kamen über 3,3 Millionen von insgesamt über 5,7 Millionen Rotarmisten in deutscher Gefangenschaft um. Im Vergleich dazu starben von den westalliierten Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam 3,5 Prozent.“
Zeithain sei aufgrund der hier begangenen Verbrechen in der bundesdeutschen Erinnerungskultur eine Ausnahme, weil hier ausnahmslos einem Teilkomplex der sogenannten Wehrmachtverbrechen gedacht werde. Die Verbrechen der Wehrmacht fänden in der Gedenkstättenlandschaft sonst kaum Berücksichtigung. Zudem, so kritisiert Paul, würden die sowjetischen Kriegsgefangenen in der derzeitigen wie auch der vorangegangenen Gedenkstättenkonzeption des Bundes an keiner Stelle explizit erwähnt. „Die Konsequenz dieser Politik ist, dass sich der Bund an der dauerhaften Finanzierung von Gedenkstätten an diesen Orten nicht beteiligt. Sie haben keine Priorität, was dazu führt, dass Zeithain heute die letzte verbliebene hauptamtlich betreute, in öffentlicher Trägerschaft befindliche Gedenkstätte ist, die ausschließlich der Erinnerung an ein ehemaliges sogenanntes Russenlager gewidmet ist“, sagt Paul.
Ideelles Engagement gefordert
Er wünsche sich, dass die Aufstellung der Namensträger auch als ein Zeichen verstanden werde, den sowjetischen Kriegsgefangenen ihre Namen und damit ihre Würde zurückzugeben. Dafür Sorge zu tragen, sei die Aufgabe der Bundes- und Landesregierungen, aber insbesondere auch des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
„Der Volksbund sollte die politischen Entscheidungsträger dahingehend beeinflussen, dass die bekannten Namen der verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen endlich überall auf den Kriegsgräberstätten vermerkt werden“, findet Paul und erklärt: „Man kann nicht die deutschen Kriegsgräberstätten in der ehemaligen Sowjetunion vorbildlich herrichten und den Fortbestand des Status quo bei den anonymen Gräbern der sowjetischen Kriegsgefangenen in der Bundesrepublik Deutschland widerspruchslos akzeptieren.“ In dieser Angelegenheit wünsche er sich mehr Engagement des Deutschen Volksbundes.