Weiße Rosen als Zeichen der Versöhnung
Sächsische Zeitung vom 23.06.2011
C. Bracholdt
In der Gedenkstätte Ehrenhain wurde an den Überfall auf die Sowjetunion erinnert und der Toten gedacht.
Am gestrigen Mittwochabend gedachten zahlreiche Besucher, diplomatische Vertreter sowie Angehörige der Opfer den getöteten Kriegsgefangenen des ehemaligen Gefangenenlagers in Zeithain.
„Wir sind hier, um den Versuch zu machen, Unfassbares zu verstehen", erklärte Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, den Gästen.
70 Jahre ist es her, seitdem das Dritte Reich am 22. Juni 1941 in die Sowjetunion einmarschierte und zahlreiche sowjetische Zivilisten ermordete. Das Lager Zeithain wurde im April 1941 als Gefangenenlager für sowjetische Soldaten errichtet. Etwa 30 000 Menschen sind hier von 1941 bis 1945 ums Leben gekommen. Zum Teil wurden sie getötet, zum Teil sind sie an den Folgen von Unterernährung und mangelnder Hygiene gestorben. Unter den Opfern sind auch italienische, polnische und serbische Soldaten.
Die Schuld und Verantwortung an so einem Krieg könne weder an Einzelpersonen noch an abstrakten Systemen festgemacht werden, erklärte Landtagsmitglied Dr. Karl-Heinz Gerstenberg in seiner Rede. Vielmehr gelte es, die persönliche, individuelle und gesellschaftliche Verantwortung anzumahnen.
Sinkendes Interesse
In Deutschland gebe es heute ein sinkendes Interesse an den Geschehnissen von damals, sagte Siegfried Reiprich. Nur noch eine Minderheit sei der Auffassung, dass die Deutschen eine besondere Verantwortung gegenüber den Völkern der russischen Förderation haben. „Viele Menschen verstehen nicht, welches Aufheben man um die toten Russen macht", bestätigte Pfarrer Thomas Piesker. Dabei sei es gerade in der heutigen Zeit wichtig, Kenntnis zu nehmen und die Opfer nicht zu vergessen. Deren Namen würden für immer in Erinnerung bleiben. Piesker war mit Mitgliedern der jungen Gemeinde der Martinskirchgemeinde Hirschstein angereist, um die Namen von zehn Opfern zu verlesen und den Angehörigen und Überlebenden weiße Rosen als symbolische Geste zu überreichen.
Eine Überlebende des Krieges ist Vera Paleschenko. Sie überstand das Konzentrationslager in Auschwitz, in welchem sie ihre Schwester verlor. Paleschenko war nach Zeithain gekommen, um für die Pflege der Gräber der Toten zu danken.
Sie hofft, dass nie wieder eine Mutter ihre Kinder beweinen muss.
Versöhnung in Zeithain
Der russische Kriegsveteran Viktor Maximov war aus Moskau angereist. Zusammen mit einem deutschen Kriegsveteran stand er vor den Gästen: „Wir, die ehemaligen Soldaten, die gekämpft haben, in Konzentrationslagern waren oder
als Zwangsarbeiter hier nach Deutschland kommen mussten, versöhnen uns heute hier mit den Deutschen", erklärte er auf Russisch. Die älteren Generationen bat er, Kinder und Enkel so erziehen, damit so ein Krieg nie wieder vorkommt. Die Jugend solle Freundschaft mit Russland halten. Die Gäste legten daraufhin zahlreiche Blumenkränze nieder, mit denen sie
den Opfern gedachten.
Jens Nagel, Leiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain, verwies auf weiße Fahnen auf den Grabfeldern links und rechts des Denkmals. Sie wurden am Ende der Gedenkfeier aufgestellt. Auf ihnen stehen Namen der Opfer. 25 000 Namen der
etwa 30 000 Getöteten sind nach mühevoller Recherchearbeit inzwischen bekannt.
Original SZ-Artikel